Dienstag, 1. März 2011

Causa zu Guttenberg: Homunculus fiel vom Himmel

Es mag der Idealvorstellung der Union entsprochen haben, nach der Regierung Merkel II nahtlos zur Regierung Guttenberg I zu gleiten. Ein adeliger Doktor schien als Lichtgestalt unbeschränkt auf- und ausbaubar und stand als Gewinner für die Kanzlerwahl 2013 offenbar fest.

Dass Kanzler in spe sein politisches Leben hingegen in gossen Teilen auf dem Sand von Diebstahl geistigen Eigentums und Lügen gebaut hatte, schien keinen zu interessieren bis zu jenem Tag des 12. 02.2011, als Professor Andreas Fischer-Lescano feststellte, dass Teile in die Guttenberg'sche Dissertation ohne Quellenangaben übernommen worden waren, und dem 16.02.2011, als die Sueddeutsche unter dem Titel «Guttenberg soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben» erste Neuigkeiten über diese unsäglich respektlose Schrift zu verbreiten begann.
Rücktrittsrede Guttenbergs – Screenshot Video ARD
Mit dem Rücktritt des Bundesverteidigungsministers zu Guttenberg ist ein Homunculus vom Himmel gefallen. Eine überlebensunfähige Kunstfigur hat endlich ihr Ende gefunden, ein Gefahrenpotenzial ist ausgeschaltet. Das was Karl-Theodor zu Guttenbergs dritte grosse Tat.
 
Seine erste grosse Tat war das Hinweisen darauf und Festhalten daran, dass die Bundeswehr in Afghanistan in «kriegsähnliche Zustände» verwickelt war. Dazu aus dem Interview zu Guttenbergs mit N. Blome und J. Meyer, Mitarbeiter der Bildzeitung unter dem Titel «zu Guttenberg: Kriegsähnliche Zustände in Teilen Afghanistan».

«Bild: Werden Sie - wie Ihre Soldaten – "Krieg" nennen, was sich in Afghanistan abspielt?
zu Guttenberg: Ich will ganz offen sein. In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände. Zwar ist das Völkerrecht eindeutig und sagt: Nein, ein Krieg kann nur zwischen Staaten stattfinden. Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?
Und: Manche herkömmliche Wortwahl passt für die Bedrohung von heute nicht mehr wirklich. Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde". Der Einsatz in Afghanistan ist seit Jahren auch ein Kampfeinsatz, Wenigstens in der Empfindung nicht nur unserer Soldaten führen die Taliban einen Krieg gegen die Soldaten der internationalen Gemeinschaft.»


 
Es gab auch eine zweite grosse Tat, die ich entgegen vielen anderen als positiv bewerte: Der Weihnachtsbesuch ab 13.12.2010 mit seiner Frau Gemahlin in Afghanistan, «um vor Weihnachten danke zu sagen. Danke für den Dienst, der hier geleistet wird, der teilweise zu Hause gar nicht so wahrgenommen wird».
Damit lenkte der Verteidigungsminister einmal mehr den Blick der Öffentlichkeit auf die Soldaten, die mit dem Einsatz ihr Leben riskieren, von denen auch etliche zu Tode kamen oder schwer verletzt wurden. Ich werde diese Leistung auch anerkennen, selbst wenn sie von zu Guttenberg vielleicht nicht so ganz uneigennützig gedacht war.
 
Doch mit dem Rücktritt als Verteidigungsminister ist erst der erste Akt in diesem Drama beendet. Die Untersuchungen über Guttenbergs Urheberrechtsverletzungen werden weitergehen, und werden sich vielleicht nicht so «zeitnah» erledigen lassen, wie es sich der mutmassliche Täter wünscht.
Rücktrittsrede Guttenbergs – Screenshot Video ARD

 

Transkript der Rücktrittsrede

Basis: ARD Audio und Video


 

Meine Damen und Herren,
Ich habe in einem sehr freundschaftlichen Gespräch die Frau Bundeskanzlerin informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde, und um meine Entlassung gebeten.
 
Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens.
 
Und ich gehe nicht alleine wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit, wie wohl ich verstehe, dass dies für grosse Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre. Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann.
 
Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt.
Verantwortung, die möglichst ungeteilte Konzentration und fehlerfreie Arbeit verlangt.
Mit Blick auf die grösste Bundeswehrreform in der Geschichte, die ich angestossen habe, und mit Blick auf eine gestärkte Bundeswehr mit grossartigen Truppen im Einsatz, die mir engstens ans Herz gewachsen sind. Wenn allerdings, wie in den letzten Wochen geschehen, die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschliesslich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von dreizehn Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten statt.
 
Unter umgekehrten Vorzeichen gilt Gleiches für den Umstand, dass wochenlang meine Massnahmen bezüglich der Gorch Fock, die weltbewegenden Ereignisse Nordafrika zu überlagern schienen.
Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten. Und deswegen ziehe ich, da das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen, die Konsequenz, die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte.
 
Ich habe wie jeder andere auch zu meinen Schwächen und Fehlern zu stehen: zu grossen und kleinen im politischen Handeln bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit.
Doch mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen. Deswegen habe ich mich aufrichtig bei all jenen entschuldigt, die ich aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse verletzt habe, und wiederhole dies auch ausdrücklich heute.
 
Manche mögen sich fragen, weshalb ich erst heute zurücktrete.
Zunächst ein möglicherweise für manche unbefriedigender aber allzu menschlicher Grund: Wohl niemand wird leicht – geschweige denn leichtfertig – das Amt aufgeben wollen, an dem das ganze Herzblut hängt. Ein Amt, das Verantwortung für viele Menschen, und deren Leben beinhaltet. Hinzu kommt der Umstand, dass ich mir für eine Entscheidung dieser Tragweite jenseits der hohen medialen und oppositionellen Taktfrequenz die gebotene Zeit zu nehmen hatte, zumal Vorgänge in Rede stehen, die Jahre vor meiner Amtsübernahme lagen.
 
Nachdem dieser Tage viel über Anstand diskutiert wurde, war es für mich gerade eine Frage des Anstandes, zunächst die drei gefallenen Soldaten mit Würde zu Grabe zu tragen, und nicht erneut ihr Gedenken durch Debatten über meine Person überlagern zu lassen. Es war auch ein Gebot der Verantwortung, gegenüber diesen, ja, gegenüber allen Soldaten.
 
Und es gehört sich, ein weitgehend bestelltes Haus zu hinterlassen, weshalb letzte Woche noch einmal viel Kraft auf den nächsten entscheidenden Reformschritt verwandt wurde, der nun von meinem Nachfolger bestens vorbereitet verabschiedet werden kann.
Das Konzept der Reform steht.
 
Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist es mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen.
Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo ich mit Verbitterung Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen gezogen habe. *
Zum anderen habe ich zugleich Respekt vor allen jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen.
 
Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität – sollte dies noch erforderlich sein – zeitnah geführt werden können.
 
Die enorme Wucht der medialen Betrachtung meiner Person, zu der ich selbst viel beigetragen habe, aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie.
Es ist bekannt, dass die Mechanismen im politischen und medialen Geschäft zerstörerisch sein können. Wer sich für die Politik entscheidet, darf, wenn dem so ist, kein Mitleid erwarten. Und das würde ich auch nicht in Anspruch nehmen.
 
Ich darf auch nicht den Respekt erwarten, mit dem Rücktrittsentscheidungen so häufig entgegengenommen werden.
 
Nun wird es vielleicht heissen: «Der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen». Das mag sein oder nicht sein.
Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln.
 
Ich danke von ganzen Herzen der grossen Mehrheit der deutschen Bevölkerung, den vielen Mitgliedern der Union, meinem Parteivorsitzenden und insbesondere den Soldatinnen und Soldaten, die mir bis heute den Rücken stärkten, als Bundesverteidigungsminister nicht zurückzutreten.
Und ich danke besonders der Frau Bundeskanzlerin für alle erfahrene Unterstützung und ihr grosses Vertrauen und Verständnis.
 
Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Mass an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden. Insofern gebe ich meinen Gegner gerne recht, dass ich tatsächlich nicht zum Selbstverteidigungs-, sondern zum Minister der Verteidigung berufen wurde.
 
Abschliessend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag:
Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.
Vielen Dank

*  verhaspelt?
 
 

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