Montag, 7. März 2011

zu Guttenberg: Mündet das Tohuwabohu letztlich in Krankheit?

Die letzten Tage hätte man meinen können, der Bundestag verlege sein Wirken gänzlich nach FaceBook, dorthin, wo ihn Fans freudig und mit verlorenem Verstand erwarteten. Die Medien waren voll des Lobes über den verlorenen Prinzen, die Umfragewerte bezüglich des Beliebtheitsgrades Karl Theodors zu Guttenberg schienen ins Unermessliche zu steigern. Das alles funktionierte bis zum Augenblick, als es um reale Demonstrationen ging: Dazu hätten sich die Fans vom Sessel erheben müssen, um ungefaked auf der Strasse ihre Meinung zu bekennen. Das wollten sie nicht, die meisten Demonstrationen «PRO Guttenberg» fanden – ausser jene in seiner Heimat – kaum statt.

Gänsefüsschen
Die Union, das Ziel eines Bildungs- und Wissensraums Deutschland mit vielen Eliteuniversitäten anstrebend, fertigte das Volk ab mit hoch populistischen Aussagen, die sich als Kernsätze und -wahrheiten in die Köpfe einprägen sollten. Dabei sprach man genau jene Bevölkerungsbereiche an, die weder eine konkrete Vorstellung von Zitieren und Fussnoten noch eine von geistigem Eigentum besitzen, solche, die noch nie in die Lage gekommen waren, eine Seminararbeit geschweige denn eine Dissertation zu verfassen.
 
Die schwarzen Demagogen und Manipulierer entfalteten sich die letzten Wochen zur Hochblüte und missbrauchten dabei auch jenen Täter, der das Ganze heraufbeschworen hatte: Karl Theodor zu Guttenberg. Als Fanal für die Union soll er noch herhalten, um den Bürgern Baden-Württembergs den «rechten Pfad» zu den Unionspolitikern zu weisen.
Die Wahlen finden in zwanzig Tagen statt, und ein Fanal war noch nie schwarz.
 

 
Ein groteskes Bild bot der Vater Karl-Theodors, Enoch zu Guttenberg, der sich mit einer Torte zu den Demonstrierenden gesellte.
Nun, jeder besitzt in Deutschland das Recht zu demonstrieren, doch wenn ein älterer Musiker sich mit einem derart untauglichen Objekt in so eine Menge begibt, um in der Weise seinem Sohn den Treueschwur, «Karl-Theodor – Wir stehen zu Dir», eingerahmt von dekorativem Fettzeug, zu übermitteln, steigt schon heimliches Entsetzen auf.
 
Dabei bleibt auch eine gewisse Würde des Alters auf der Strecke, und meine Verehrung für Komponisten und Dirigenten kommt arg ins Schleudern.
Drehen in der Familie zu Guttenberg alle am Rad?
Zudem scheint Vater Enoch nicht begriffen zu haben, dass es keine Jagd auf seinen Sohn, sondern auf dessen Plagiate gab.
 
 
Etwas Merkwürdiges ereignete sich in der Sendung «Menschen bei Maischberger»(Text) vom 01.03.2011.
Am Ende der Sendung geht es um die Frage, ob zu Guttenberg überhaupt gedenke, in die Politik zurückzukehren.
Video gegen das Ende hin ab 01:12:20:
Arnulf Baring redet nach dem Aufruf für Michel Friedman dazwischen:

… bin ich der Meinung, Herr Blome, das ist sehr die Frage, ob er (Karl-Theodor zu Guttenberg) das wirklich will. Er ist kein wirklicher Politiker … [Maischberger will abbrechen] … nur / nun (?) Patient …


 
Wäre Karl-Theodor zu Guttenberg mental krank, würden nicht nur die fehlenden Zitatangaben, sondern auch die sieben Jahre Arbeit zum Herstellen der plagiatbehafteten Schrift verständlicher: zu Guttenberg hätte demnach im geschlossenen System seiner Scheinwelt gelebt, die sehr wohl funktionierte, solange er auf Händen getragen, die hingegen irreversibel zusammenbrach, nachdem sein System aufgebrochen wurde.
 
Über die Achse des Guten fand ich soeben noch den Artikel von Henryk M. Broder in der Welt vom 06.03.2011 mit Titel «Guttenbergs Scheitern ist eine Familienangelegenheit».
 
Broder schreibt:

«Wie das bei Guttenberg war, der "gravierende Fehler" zugibt, zugleich aber versichert, "nicht wissentlich getäuscht" zu haben, das wissen nur zwei: der Freiherr und sein Doktorvater.
Auf eine Erklärung der ganzen Causa weist der kluge Arnulf Baring hin, der Dutzende von Doktoranden betreut hat:
Guttenberg habe es seinen Eltern heimzahlen wollen, dafür, dass sie ihn zum Erfolg getrieben hätten. Er tat es unbewusst, aber konsequent. In seinem Scheitern manifestiert sich deren Schande.»

Gänsefüschen im Angriff

Vielleicht ist die Napoleon-Uniform doch nicht so falsch. Doch Geisteskrankheiten sollten erst bewiesen werden, bevor man mit ihnen kriminelle Energie zu vertuschen sucht.

Sammlung vom 05.03.2011

Ich trug die Zitate zusammen, weil sie in einem direkten Widerspruch zur jubelnden Union stehen und zum Schmunzeln anregen. Am treffendsten finde ich die Mitteilung der TAZ: «Das Volk fehlt».
  • Berliner Kurier  Guttenbergs letztes Aufgebot
    Zur «Großdemo» für den Ex-Verteidigungsminister kamen nur fünf Sympathisanten (!) des Freiherrn
  • Spiegel  Spötter stehlen KTG-Fans die Show
    Auf Facebook stellten die Guttenberg-Anhänger klar die Mehrheit. Doch auf der Straße wurden die Fans des Ex-Ministers von Gegendemonstranten verspottet, verlacht, veräppelt. Die Kundgebungen für den Ex-Verteidigungsminister gerieten zur Farce. Nur im Heimatort des Politikers versammelten sich die wahrlich Treuen.
  • Stern  «Du hast die Haare schön»
    Auf Facebook-Gruppen sah es so aus, als entstünde nach dem Guttenberg-Rücktritt eine Art Tea-Party-Bewegung. Doch bei den Demos am Samstag waren hauptsächlich Spaßvögel unterwegs. Warum?
  • Freie Presse  
    Pro-Guttenberg-Demo fällt mangels Teilnehmern aus
    Versammlung war für 13.00 Uhr geplant
  • News.de  Den Überblick verloren
    Mehr als 570.000 Online-Aktivisten haben sich in den vergangenen Tagen über Facebook zu deutschlandweiten Demonstrationen verabredet. Zumindest in Leipzig blieb echte Demo-Atmosphäre aus - wohlwollend formuliert.
  • Berliner Morgenpost  
    Spötter übernehmen Pro-Guttenberg-Demonstration
    Aus der Demonstration für eine Rückkehr Karl-Theodor zu Guttenbergs in die Politik ist in Berlin eine Spott-Aktion geworden. Auch in anderen Städten gingen nur wenige auf die Straße, die meisten kamen in Guttenberg - auch der Vater des Ministers.
  • TAZ  Das Volk fehlt
    Sie machten es ganz wie ihr Vorbild: Erst kamen die großen Posen - dann eine schlechte Performance. Die Offline-Demos für Guttenberg blieben eine Randnotiz.
  • Leipzig Seiten  
    Pro Guttenberg Demo in Berlin geht nach Hinten los
    Berlin/Leipzig. Ursprünglich hatten Befürworter des wegen Plagiatsvorwürfen zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eine Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin geplant, doch es kam anders.
  • Welt  Kaum ein Fan geht für Guttenberg auf die Straße
    Auf Facebook ist die Unterstützung für den Verteidigungsminister a.D. riesig. Die Pro-Guttenberg-Demos aber waren ein Flop – außer in seiner Heimatgemeinde.
  • Hamburger Abendblatt  
    Wenig Zuspruch für Guttenberg am Gänsemarkt
    Die Hamburger Polizei rechnete im Vorfeld mit rund 1000 Teilnehmern. Es kamen nur 500 Menschen, darunter auch Gegendemonstranten.
  • Financial Times Deutschland  
    «Beim nächsten Mal sind wir erfahrener»
    Auf bundesweiten Demos zeigten Anhänger aus dem Netz, dass sie hinter ihrem ehemaligen Verteidigungsminister stehen. In Hamburg sind die Gegner zahlreicher - und sparen nicht mir Spott.
  • Zeit  Beifall und Hohn bei Guttenberg-Demos
    Noch immer polarisiert der CSU-Politiker: In Bayern forderten mehrere Tausend eine Rückkehr des Ministers, in Berlin kamen fast nur Spötter zur Demonstration.
  • Weser Kurier  Bremer Guttenberg-Fans bleiben lieber zu Hause
    Bremen. Wir wollen Guttenberg zurück. Da sind sich rund 570.000 facebook-User einig und haben zu bundesweiten Demonstrationen aufgerufen. Auch in Bremen hat es eine Kundgebung geben sollen, doch die Organisatoren sind kurzfristig abgesprungen.
  • Leipziger Volkszeitung   
    Guttenberg-Demo wird in Leipzig zum Flop - Vater bezeichnet Kritik als «Menschenjagd»
    Berlin/Leipzig. Es sollte der große Demonstrationstag der Facebook-Gruppe «Wir wollen Guttenberg zurück» werden. In mehreren deutschen Städten wollten Mitglieder der mehr als 570.000 Guttenberg-Fans des Netzwerkes um 13 Uhr für die Rückkehr des zurückgetretenen Verteidigungsministers in sein Amt auf die Straße gehen. Einer der Protestorte sollte auch Leipzig sein. Treffpunkt: Rückseite des Gewandhauses hinter dem Augustusplatz.
  • Tagesspiegel  
    Viele Guttenberg-Fans im Netz - wenige bei den Demos
    Die Facebookseite «Wir wollen Guttenberg zurück» rief zu Kundgebungen im ganzen Land auf. Dass es viele der Internetnutzer mit ihrer Sympathiebekundung aber nicht gar so ernst meinten, stellte sich am Samstagnachmittag heraus.
  • Handelsblatt  Liebe zum Freiherrn stößt auf Grenzen
    Die Unterstützung, die Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im Internet erfahren hat, sollte ins reale Leben getragen werden. Doch so richtig weit ging die Liebe nicht.
  • Bayerischer Rundfunkt  
    Tausende wollen ihren Guttenberg zurück
    «Wir wollen Guttenberg»: Unter diesem Motto demonstrierten mindestens 2.000 Menschen in Bayern für den zurückgetretenen Verteidigungsminister. In dessen Heimatort Guttenberg und in München kritisierten die Demonstranten den Umgang mit dem CSU-Politiker in der Plagiatsaffäre.
  • BILD  Guttenberg-Vater demonstriert für seinen Sohn
    Demonstrationen für und gegen Karl-Theodor zu Guttenberg in ganz Deutschland

 
 

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