Dienstag, 27. Oktober 2009

Libyens Rollenkonflikt: Vorsitz und Geiselnehmer

Libyen belegt derzeit zweifellos wichtige Rollen:
Der ehemalige Aussenminister Ali Abdussalam Treki ist bis voraussichtlich September 2010 Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen, und Diktator Muammar Al-Gaddafi präsidiert die Afrikanische Union (AU), deren Gründung er initiiert hat.
Als weiteren -absolut verwerflichen - "Auftrag" hat sich Libyen zum Geiselnehmer ernannt und hält seit dem 19. Juli 2008 zwei Schweizer Bürger ohne ersichtlichen Grund fest.

Als Muammar Al-Gaddafi während der UN-Generalversammlung September 2009 einen Teil der UN-Charta zerriss und hinter sich schmiss, mag man das als weiteren Ausraster dieses auffälligen Charakters gehalten haben. Gaddafi hat mit der aktuellen Geiselnahme aber auch das Recht weit hinter sich gelassen, an das er sich binden muss, will er bzw. Libyen die international wichtigen Rollen beibehalten.
 
Dieser Rollenkonflikt zwischen Verbrechertum und Vorsitzen in Organisationen, in denen Recht und Menschenrechte wichtige Komponenten bilden, droht nicht nur für Libyen unmöglich und grotesk zu werden, er zeigt auch, dass jene Organisationen inaktiv bleiben, wenn derartige Zerrbilder entstehen.
 
In diesem Jahrhundert machte sich Libyen bereits mindestens in zwei Fällen schuldig an internationalen Geiselnahmen:
1999 – 2007 Geiselnahmen von fünf bulgarischen Krankenschwestern und einem palästinensischen Arzt, die allesamt gefoltert und politisch missbraucht wurden. [ HIV-Prozess in Libyen]
Juli 2008 – heute Geiselnahme zweier Schweizerbürger offensichtlich als Rache auf die Festnahme des Gaddafi-Sohns Hannibal wegen Misshandlung von zwei Hausangestellten. Muammar Al-Gaddafi liess die Leute an unbekannte Orte verschleppen, Abmachungen mit der Schweizer Regierungsspitze hielt er nicht ein. [ Libyen-Affäre (Schweiz)]
Als der Papst vor wenigen Tagen zum Abschluss der Afrika-Synode ausrief: " Afrika, steh auf! Mut, Afrika, steh auf!", richtete er sich nebst seinen kirchlichen Institutionen und Anhänger vor allem an Hungernde, Arme, Kranke, Unterdrückte und Verfolgte aber sicherlich nicht an Leute wie den Rechtsbrecher Gaddafi, der sich über Menschenrechte und Völkerrecht hinwegsetzt, als seien sie bloss Mückenschisse, die es zu achtlos zu tilgen gilt.
 
Gaddafi ist Afrikaner, und zu seinen ehrenvollen Aufgaben gehörte es, insbesondere als Präsident der AU, Mut in den Menschen seines Kontinents zu generieren und zu stabilisieren. Statt dessen vertrödelt er die Lebenschancen der eigenen Leute und beschäftigt sich damit, europäische Staaten zu Prügelknaben zu deklarieren, um seinen schwachen Stand als Stammesführer letzter Klasse zu stärken.

Kein Weg aus dem Schlamassel

Ein kontraproduktiver Vorschlag kam aus Richtung der Schweizer SVP: Sollte die UNO nach einer Schweizer Intervention Libyen das Präsidium der UNO-Präsidentschaft nicht entziehen, müsste die Schweiz aus der UNO austreten.
 
Nicht nur dass die Schweiz jahrzehntelang gekämpft hat, um der UNO beizutreten, es wäre vollkommen abartig, eine gewisse Isolation der Schweiz, die von Gaddafi für seine Geiselnahme voll ausnützt, noch zu vergrössern.

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