Sonntag, 4. Oktober 2009

Polanski: Groteskes begleitet Verhaftung

Ich dachte in vergangenen Tagen oft an Roman Polanski, den genialen Filmregisseur und an Polanski, den Straftäter. Nachdem scheibchenweise Details und / oder Fakten aufgetischt werden, werfe auch ich mich ins Getümmel dieser hässlichen Geschichte.
Es scheint, als gäben etliche Leute beim Namen «Polanski» den Verstand ab, ohne zu signalisieren, diesen innerhalb nützlicher Frist wieder abzuholen.
Im Folgenden sind einige groteske Momente angebracht, ohne die zeitliche Abfolge genau zu beachten.
 
Nachtrag 05.10.09 – Gestern rausgeputzt, heute wieder eingebaut:
Mir geht es wie Lupe, der Satire-Blog: «Fall Polanski: Wenn Richter Gott spielen»

Verhaftung als Show VOR der Show

Roman Polanski
Die USA hätten übers Internet von Polanskis genauem Aufenthaltsort gewusst, und die Schweizer, die sonst gar nie wussten, wo er sich aufhielt, hätten erst genau zu diesem Zeitpunkt seiner habhaft werden können. So sollte es denn kommen: Verhaftung VOR dem Auftritt Polanskis am « Zürcher Filmfestival».
 
Wie eine Verhaftung ausgesehen hätte NACH Polanskis Auftritt, wage ich mir schon gar nicht vorzustellen. Die zuständigen Schweizer wohl auch nicht, vielleicht hatten sie Probleme damit, wohin sie den Preis Polanskis wegsperren sollten. Zudem ist dieser vom selben Staat mitfinanziert, der beauftragt war, Polanski zu verhaften – ein mehr als peinlicher Umstand.
 

Bundesrätinnen mit und ohne Fingerspitzengefühl

Bundesrätin Widmer-Schlumpf
Wohl war die Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (Justiz- und Polizeidepartement) informiert über die Tatsache der Verhaftung keinesfalls aber Bundesrätin Calmy-Rey (Departement für auswärtige Angelegenheiten). Der Informationsfluss sei deshalb unterbrochen worden, weil die Sache überaus wichtig und geheim (gewesen) sei.
 
Bundesrätin Calmy-Rey
Das ist also die Kollegialität zwischen Schweizer Bundesrätinnen: Die eine wird als vollwertig akzeptiert, die andere zur Plaudertante degradiert.
Nun liegen sich die Damen in den Haaren in Sachen «Fingerspitzengefühl». Keiner weiss, wo das endet, aber es darf zugeguckt werden.
 

Christoph Blocher hätte vorinformiert

Christoph Blocher
Christoph Blocher, im Amt als Bundesrat, hätte Roman Polanski vorgewarnt, weil sich das so gehöre und dem Täter so die Freiheit, einzureisen oder nicht, geblieben wäre. Ferner bestehe eine «halbe Schirmherrschaft vom Bund» für dieses Filmfestival, und der Preis sei folglich vom Staat mitfinanziert.
Der Staat könne nicht jemanden einladen, um ihn zu verhaften.
 
Es gilt zu bedenken, dass der Bund, wie im Jahr 2007 beschlossen, das Zürcher Filmfestival mit jährlich 50'000 Franken unterstützt.
Das ist starker Tobak: Die Schweizer Steuerzahler, nun alle winzige «Verräter», liessen Polanski still anlocken, einreisen und verhaften, was nun weniger stille Folgen hat.
 

Whoopi Goldbergs rape-rape-Gefasel auf ABC

Whoopi Goldberg
Whoopi Goldberg setzte sich mit Händen, Locken und Füssen ein und plädierte auf dem US-Sender «ABC» dafür, es handele bei der Tat Polanskis bloss um Unzucht mit einer Minderjährigen (statutory rape).
Eine Vergewaltigung unter Anwendung von Gewalt (forcible rape, rape-rape) hätte Polanski nicht begangen.
 
Der Stern vom 01.10.09 übersetzt das putzig mit:

«… Ich weiß, es war keine Vergewaltigung-Vergewaltigung …»

Der Täter füllte sein Opfer mit Alkohol und Drogen ab und agierte, bis es sich aus Angst nicht mehr wehrte. Das ist Vergewaltigung (forcible rape, rape-rape) einer Minderjährigen!
In Europa erlaubt nur Spanien Sex mit 13-Jährigen. Ob Whoopi Goldberg demnächst die «gewaltfreie Vergewaltigung» einführen möchte, entzieht sich meiner Kenntnis.
 

Ex-Staatsanwalt David Wells – der Lügner

David Wells
Im Dokufilm «Roman Polanski: Wanted and Desired» sagt Wells, damals Staatsanwalt, er hätte dem Richter seinerzeit angeraten, den Deal mit dem Verteidiger nicht einzuhalten, um Polanski für eine massivere Tat zu verurteilen, die ihn auf jeden Fall ins Gefängnis gebracht hätte.
David Wells sagt heute, er hätte im Film gelogen, ein Gespräch mit dem Richter hätte nie stattgefunden. Was wird Wells morgen sagen? Und was davon wird gelogen sein?
 

Ethikfreier Hauskauf - wenn bloss die Kasse stimmt

Polanskis Haus
Das gleiche Bundesamt, das für die Verhaftung Polanskis zuständig war, gewährte diesem im Jahr 2006, in der Schweiz eine Eigentumswohnung zu kaufen, so die Zürcher Zeitung vom 04.10.09.

«… Zu diesem Zeitpunkt war Polanski seit rund einem halben Jahr international zur Verhaftung ausgeschrieben. Das Bundesamt für Justiz unterstand damals noch SVP-Bundesrat Christoph Blocher. …»

Ich unterstelle, die betreffenden Leute, den damaligen Bundesrat Christoph Blocher eingeschlossen, interessierten weder für Film-Kultur noch für Polanski – Hauptsache, sie konnten ein Geschäft mit einem Promi tätigen. Prickelnd wurde für sie dieser brillante Filmregisseur erst durch die Taten seiner Vergangenheit. Nun schreien nach neuen Gesetzen.
 

Die Überraschten: Wir haben es nicht gewusst

Wer über die Jahre hin zwischendurch mal eine Zeitung las oder sich in den Medien online informierte, wusste über die Straftat Polanskis ohnehin seit Jahren. Die ganze Entrüstung und das riesige Überraschungsmoment als Basis zu hoch depressiver Haltung gegenüber der Verhaftung erscheinen reichlich übertrieben.
  24.09.09   5. Zurich Film Festival eröffnet

«... Auf dem Programm steht der Auftakt zur 5. Ausgabe, die bis am 3. Oktober über 60 Premieren bieten und Weltstars wie Roman Polanski, Morgan Freeman ...»

  20.09.09   Trotz Krise im Aufwind Entdeckungen und Rosinen

«... Stars wie die Jurypräsidentin Debra Winger, der epochale Ehrengast Roman Polanski (27. 9.) und das Schauspieler-Schwergewicht Morgan Freeman (3. 10.) garantieren mediale Aufmerksamkeit ...»

  20.09.09   Roman Polanski Fokus: Klassiker

«... Letztes Jahr zeigte das Zürcher Filmfestival die Dokumentation «Roman Polanski: Wanted and Desired», die den Prozess gegen den Regiestar wegen Kindsmissbrauchs 1977 noch einmal aufrollte ...»

  20.09.09   Im Schatten des Unheils

«... schliesslich selbst Täter in einem Fall von Kindsmissbrauch, dessen Strafverfolgung er sich durch die Flucht aus Hollywood entzieht und der ihm eine Rückkehr bis heute verunmöglicht ...»

  11.09.09   Der Duft der grossen weiten Kinowelt

«... Das Zurich Film Festival geht in zwei Wochen in seine fünfte Runde, mit einem Staraufgebot von Roman Polanski über ...»

  29.04.09   Vom grossen Hollywood-Film bis zum extravaganten Arthouse-Kino

«... Freuen Sie sich auf das 5. Zurich Film Festival vom 24. September bis 4. Oktober 2009 ...»
«... In der Filmreihe "A Tribute to..." nimmt Oscar-Preisträger Roman Polanski das "Goldene Auge" für sein Regie-Lebenswerk persönlich entgegen ...»

  18.02.09   Verfahren gegen Polanski wird nicht eingestellt

«... Ein kalifornischer Richter lehnte es bei einer Anhörung am Dienstag ab, das Verfahren wegen Missbrauchs einer 13-Jährigen einzustellen ...»

  03.02.09   Juristische Niederlage für Polanski in Missbrauchsverfahren

«... Eine Berufungsinstanz wies den Befangenheitsantrag gegen die Richter in dem Missbrauchsverfahren gegen Polanski ab. Mit der am Montag bekanntgegebenen Entscheidung kann das Verfahren wieder aufgenommen werden ...»

  21.01.09   Anhörung im Polanski-Verfahren verzögert sich

«... Oscar-Preisträger Roman Polanski, dem wegen Sex mit einer Minderjährigen vor mehr als 30 Jahren in den USA eine Haftstrafe droht, hat vor Gericht einen Teilsieg errungen. Eine für Mittwoch kurzfristig angesetzte Anhörung wurde kurzfristig ausgesetzt. ...»

  29.12.08   Prominente lassen Korken in der Schweiz knallen

«... In vergangenen Jahren rutschten in Gstaad Schauspieler wie Liz Taylor, Jack Nicholson und Julie Andrews ins neue Jahr. Regisseur Roman Polanski war da, ebenso Ex-Playboy Gunter Sachs und natürlich Frankreichs ...»

  04.12.08   Polanski und die US-Justiz

«... Bei der Einreise in die USA droht ihm derzeit eine langjährige Haftstrafe ...»

  03.12.08   Regisseur Polanski will Ruhe vor der US-Justiz

«... Der amerikanische Regisseur Roman Polanski hat die Einstellung eines 30 Jahre alten Verfahrens wegen eines ihm zur Last gelegten Sexualdelikts beantragt ...»

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