Donnerstag, 21. Januar 2010

Besondere Häme: Stasi-Opfer zu Täter manipuliert

Am 14.01.2010 brachte die Sendung «Kontraste» der ARD unter dem Titel «Opfer oder Täter – Haftentschädigung für Stasi-Spitzel?» das Schicksal eines einstigen DDR-Flüchtlings, der heute seine Haftentschädigung voll zurückzahlen soll. Seine Opferrente wurde selbstverständlich gestrichen.

Der angebliche Täter hatte sich schriftlich als «Zelleninformator» für das MfS (Ministerium für Staatssicherheit) verpflichtet.
Das geschah in Todesangst, NACHDEM der Minderjährige im Stasi-Knast vergewaltigt worden war.

Jürgens erste Fluch gelang !

Ost-Schüler aus DDR geflohen

Screenshot Video ARD – Kontraste vom 14.01.2010

Eine erste Flucht hatte Jürgen Faul bereits früher mit vier Freunden unternommen - und sie gelang! Wegen Minderjährigkeit wurden die Jungs hingegen wieder in die DDR abgeschoben. Erst nach dieser ungewollten Heimkehr und erneuter Flucht begann für Jürgen Faul der grausame Gang durch die Stasi-Gefängnisse.

Im Vorhof zur Hölle

Jürgen Faul, Stasi-Opfer

Screenshot Video ARD – Kontraste vom 14.01.2010
Jürgen Faul – Stasi-Opfer und Hauptfigur des Videos.

Jürgen Faul sass als Minderjähriger wegen Republikflucht 15 Monate in verschiedenen Stasi-Gefängnissen. 1972 kam er in Margot Honeckers «Vorhof zur Hölle», das Jugendgefängnis Torgau.
 
N24.DE schreibt darüber am 06.03.2009:

Der Jugendwerkhof Torgau war eine der gefürchtetsten Disziplinierungsanstalten in der DDR. 25 Jahre lang wurden Kinder und Jugendliche gefoltert. Nun ist der Ausbau zu einer Gedenkstätte geplant …
 
… kann sich an alles erinnern, als wäre es gestern gewesen. An die Angst und Ohnmacht bei der Einlieferung und die schlimme Zeit danach. An die brüllenden Erzieher, die Willkür, die Schläge …
 
… In der schwer bewachten Disziplinierungsanstalt, die dem Ostberliner Volksbildungsministerium von Margot Honecker unterstand und von der nur wenige wussten, sollten missliebige Jugendliche wieder auf sozialistischen Kurs gebracht werden …

Vergewaltigung durch einen Mitgefangenen

Ausweglosigkeit im Stasi-Knast

Screenshot Video ARD – Kontraste vom 14.01.2010

Verlegt in ein anderes Gefängnis, wurde Jürgen von einem Mitgefangenen vergewaltigt. Angst, Demütigung, Einsamkeit und Isolation beherrschten nun seine Empfindungen.
 
Stern vom 19.01.2010: «Prozess wegen Folterung eines Mithäftlings eröffnet»
Denkt man an den aktuellen Fall der «Jugendanstalt Regis-Breitingen», über den im Landgericht Leipzig diese Tage geurteilt wird, wird offensichtlich, dass es für Misshandlungen aller Arten schliesslich zwei Arten Opfer gibt:
 
Opfer mit dem Recht auf Opferstatus und
Opfer, die als Täter «bewertet» werden, weil sie aufgrund ihrer schwersten inneren Verletzungen einen Fehler begingen.

Trauma erworben – Fehler begangen

Verpflichtung auf freiwilliger Basis ...

Screenshot Video ARD – Kontraste vom 14.01.2010

Um zu überleben und irgendwie aus der Hölle der Traumatisierung herauszukommen, unterschrieb Jürgen Faul seine «Verpflichtung als Zelleninformator».
Sie beginnt mit:

«Ich verpflichte mich, auf freiwilliger Basis …»

Wie freiwillig ein traumatisiertes Vergewaltigungsopfer im damaligen Stasi-Knast war, scheint keinen jener zu interessieren, die aufgrund dieses unsäglichen Wischs, Jürgen Faul mit schier genialer Leichtigkeit zum Täter degradierten.
 
Das erinnert mich doch schwer an den Fall Kampusch: Mehrfach wurde dem Opfer Natascha Kampusch vorgeworfen, Natascha sei «freiwillig» zum schwerkriminellen Täter Wolfgang Priklopil zurückgekehrt, und deshalb sei sie quasi eine Mittäterin.
 
DiePresse vom 04.01.2010: «Kampusch: Rückkehr zu Priklopil "blanke Lüge"»
 
Die Österreicher haben diesbezüglich die Kurve gekriegt.
Nun liegt es am Landgericht Potsdam, der Opfervereinigung 17. Juni oder sonst einer zuständigen Stelle, endlich Ordnung in die Täter-Opfer-Verhältnisse zu bringen.
Die Haltung, ehemaligen Stasi-Opfern den Opferstatus abzuerkennen, weil sie sich als Minderjährige panisch auf irgendwelche Verpflichtungen einliessen, ist inakzeptabel und widerspricht geltendem Recht.

Die Kanzlerin und der Stasi-Knast

Als die Kanzlerin letztes Jahr das Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen besuchte, meinte sie, es sei wichtig, dieses Kapitel der DDR-Diktatur nicht auszublenden und nicht zu vergessen.
 
Vergessen darf dabei sicherlich auch nicht die Realität der in diesen Gefängnissen Leidenden und Drangsalierten. Und zu dieser Realität gehört, dass für Unschuldige, die bloss wegen Republikflucht eingebunkert wurden, niemals etwas freiwillig war, das sie dort taten. Denn ihr Wille sollte gebrochen werden, ihre Freiheit war ihnen genommen, selbst jene, bloss in ein anderes Land zu gehen.
 
Frau Merkel muss dies alles ganz besonders gut wissen, denn sie arbeitete selber für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR.
 

Stiftung «Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen»

« ... Auf dem Gelände der früheren zentralen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit befindet sich seit 1994 eine Gedenkstätte.
Seit Juli 2000 ist diese eine selbstständige Stiftung öffentlichen Rechts.
Die Grundstücke und Gebäude des Gefängnisses wurden ihr vom Land Berlin zur unentgeltlichen Nutzung überlassen. Für ihre Arbeit erhält sie einen jährlichen Zuschuss des Bundes und des Landes Berlin ... »

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