Montag, 15. März 2010

Kirchenrecht ohne Allgemeinverbindlichkeit

Allgemeinverbindlichkeit bedeutet die zwingende Verbindlichkeit einer Bestimmung für jedermann. Diese Verbindlichkeit kann beispielweise die Sprache, die Gesetze betreffen. Im aktuellen Fall des Missbrauchs, der sexuellen Misshandlungen innerhalb der katholischen Kirche, wird Allgemeinverbindlichkeit in beiden Bereichen strickt negiert.

Kirchenrecht versus Rechtsordnung

Solange das Kirchenrecht der katholischen Kirche ein eigenes abgeschlossenes und undurchlässiges System innerhalb der Rechtsordnung des jeweiligen Staates bildet, wird es zu Rechtsverletzungen kommen, die von keinem ordentlichen Gericht beurteilt werden. Die Opfer eines solchen Verbrechens kriegen so keinen fairen Prozess, die Täter werden nicht angemessen bestraft.
 
In Frage stehen dabei nicht nur die Rechtsnormen (Gesetze). Auch die Allgemeinverbindlichkeit des sprachlichen Gebrauchs (Begriffe) muss hinterfragt werden. In dieser Monsterkloake aus Verlogenheit, Vertuschung und erzwungenen Schweigeverpflichtungen, scheint keiner mehr zu Wissen, wo und wann blosse Zärtlichkeit endete und wo sexuelle Misshandlung begann, wann geflossene Geldsummen an Opfer Entschädigung oder Schweigegeld waren.

Chancen zur Offenlegung vertan

Erzbischof Zollitsch schreibt in einer Pressemitteilung vom 12.03.2010 unter dem Titel «Papst ermutigt zur Aufklärung»:

«… Wir wollen die Wahrheit aufdecken und eine ehrliche Aufklärung, frei von falscher Rücksichtnahme, auch wenn uns Vorfälle gemeldet werden, die schon lange zurückliegen Die Opfer haben ein Recht darauf …»

Wie nett und wie hämisch zugleich: Nach Jahrzehnte langem Unterdrücken der Wahrheit, sollen die Opfer jetzt, wo die meisten Fälle verjährt sind, ihre Chance kriegen.
 
Jeder einzelne Missbrauchsfall im Verlauf der Jahrzehnte bot der katholischen Kirche eine Chance, endlich die Verantwortung für diese Verbrechen an Kindern und Jugendlichen zu übernehmen und gemäss der jeweiligen staatlichen Rechtsordnung ein faires Verfahren einzuleiten.
 
Viel früher – ab 1985 bot in Österreich der grausige Fall um Kardinal Groër, die Chance, den Missbrauch in der Kirche zu thematisieren, und europaweit zu untersuchen. Die Zeit schien nicht reif, und Groër schwadronierte sich schliesslich aus dem Amt, nachdem er rund zehn Jahre um seine Missbrauch-Taten herumgelogen hatte:

«In den vergangenen drei Jahren hat es zu meiner Person zahlreiche, oft unzutreffende Behauptungen gegeben. Ich bitte Gott und die Menschen um Vergebung, wenn ich Schuld auf mich geladen habe.»

Über die Schuldfrage reden? Anmerkungen zur Causa Groer, Kirche heute 4/1998,16-18, (*.DOC)
 
Ab 2006 ereignete sich die Riesenwelle in den USA.
Die Web Site carechild.de titelt am 16. Juli 2007: «USA: Kindesmissbrauch durch Priester – Katholische Kirche zahlt 660 Millionen Dollar Entschädigung »
 
Danach folgte Irland, wo die Missbrauchsfälle hingegen bereits anfangs dieses Jahrhunderts «bekannt» waren, und der Murphy-Bericht:
15.12.03 – «Katholische Kirche in Irland entschuldigt sich für Kindesmissbrauch»
25.10.05 – «Kirche in Irland deckte Kindesmissbrauch»
17.12.09 – «Irlands Katholiken misten aus»
26.11.09 – «Murphy-Bericht»
20.01.10 – «Kindesmissbrauch: Papst zitiert irische Bischöfe nach Rom»

Täter-Opfer-Inversion

Es scheint zu den Machenschaften der Verantwortlichen zu gehören, vom eigentlichen Problem abzulenken, «neue» Opfer zu erfinden und zu behaupten, es handele sich um eine konzertierte Aktion gegen den Papst. Nein, es wird hier keine Täter-Opfer-Inversion stattfinden, solches hat Adolf Hitler vor über siebzig Jahren systematisch angewandt, und wohin das führt, ist allgemein bekannt.
 
Der Papst braucht sich nicht ablenkend ins Zentrum zu rücken, er ist das Opfer nicht, er gehört zu den Verantwortlichen, und sollte das tun, was ihm zusteht: Die Opfer achten und respektieren und dafür sorgen, dass sie ein faires Verfahren kriegen, oder bei Verjährung sie entsprechend entschädigen.
 

Und nun der Hirtenbrief

Noch wissen wir nicht, was er regeln soll, er ist an Irland gerichtet und bildet offenbar eine weitere Antwort auf den Murphy-Bericht.
Bleibt die katholische Kirche eine geschlossene Gesellschaft, die sich der staatlichen Rechtsprechung nicht beugen will, sehe ich kaum Hoffnung auf eine wirkungsvolle Reform, die derartige Verbrechen in Zukunft verhindern soll.
 
Ebenso sind verwaschene, vor lauter Heiligkeit triefende Inhalte zu erwarten, die letztlich nur dazu gedacht sind, weitere Angriffe gegen die Verbrecher der katholischen Kirche abzuwenden.
Da muss der Schutz der Kinder vor geilen Patres aus einer ganz anderen Ecke kommen:
  • Ständiger Zugriff des Kindes auf ein Handy mit Notfallknopf zur nächsten Polizeistation
  • Intensive Aufklärung über Homosexualität und Pädophilie
  • Kursus in Selbstverteidigung vor dem Besuchen einer katholischen Schule
  • Intensive Kontrolle der katholischen Schulen durch den Staat

 

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