Dienstag, 6. April 2010

Der fehlbare Papst, der Schwätzer Sodano und die Vatikan AG

Ostern ist vorbei, die Feierlichkeiten sind dem Alltag gewichen, der Papst hat geschwiegen, dafür schwätzte sein Kardinal Sodano umsomehr. Dies nicht etwa in kirchlicher Zuneigung für die Misshandlungsopfer, sondern gegen sie, indem er Tausende Verbrechen an Kindern und Jugendlichen in die Bedeutungslosigkeit zu verdrängen suchte.


 
«Rund und gsund»: 
Angelo Kardinal Sodano

Bildmaterial: Wikipedia

«Österliche Rückenstärkung für den Papst»
Neue Zürcher Zeitung vom 04.04.2010:
 
… In einer vom Protokoll abweichenden Ansprache lobte Sodano Benedikt als «unfehlbaren Felsen der Heiligen christlichen Kirche», die sich nicht von dem «unbedeutenden Geschwätz dieser Tage beeinflussen» lasse. Der erschöpft wirkende Papst verfolgte die Rede vom Balkon des Petersdoms aus. Ein Baldachin schützte ihn vor dem leichten Regen. …
 
Nichts gegen blumige Bilder, mit denen die Kirche ihre «Lämmchen» gerne einlullt, um sie sich gewogen zu erhalten. Doch auch Blumigkeit kennt glücklicherweise ihre Grenzen, so beim Bild des «unfehlbaren Felsen».
 
Sollte ein unfehlbarer Fels existieren, müsste es auch einen fehlbaren Felsen geben, und solch ein Objekt ist – zumindest mir – unbekannt. Wer einen Felsen kennt, der schon mal einen Fehler machte und diesen natürlich auch einzusehen in der Lage ist, soll sich bitte melden.
 
Die Unfehlbarkeit des Papstes, so es denn sowas gäbe, wäre zudem von Gott erteilt. Da der Papst wie jeder andere Durchschnittsgläubige hingegen zur Beichte geht, ist auch er nicht sündenfrei.
 
Wären all die weltweiten Meldungen über Kindesmissbrauch und –misshandlungen bloss «unbedeutendes Geschwätz», hätte auch ein Sodano nicht darauf Bezug nehmen müssen, ausser natürlich, er wollte seinen Hang zum Schwätzertum befriedigen und die Opfer der katholischen Kirche einmal mehr demütigen, beleidigen und fertigmachen.
 
Dabei hatte sich Sodano doch während seiner Zeit in Südamerika eher dem Schweigen verpflichtet, insbesondere wenn es um Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes von Augusto Pinochet ging.
 
 
 
Papst Benedictus XVI
«Missbrauchsfälle unter päpstlicher Geheimhaltung»
Süddeutsche vom 17.03.2010:
 
… 24 Jahre Präfekt der Glaubenskongregation: Hier wurden und werden sämtliche schweren Sexualdelikte von Klerikern aus der ganzen Welt unter strengster Geheimhaltung (Secretum pontificium) gesammelt und behandelt. Ratzinger hatte noch am 18.Mai 2001 in seinem Schreiben an alle Bischöfe über die «schweren Vergehen» die Missbrauchsfälle erneut unter «päpstliche Geheimhaltung» gestellt, deren Verletzung unter Kirchenstrafe steht.
 
Und schließlich: Fünf Jahre Papst, ohne an der verhängnisvollen Praxis etwas zu ändern. Die Wahrhaftigkeit würde es verlangen, dass der Mann, der seit Jahrzehnten die Hauptverantwortung für die weltweite Vertuschung hatte, eben Joseph Ratzinger, sein eigenes mea culpa spricht …

 
 
Treffen die Fakten der Süddeutschen zu, ist der Fall klar: Joseph Ratzinger hat vorsätzlich aktiv an der Vertuschung der Misshandlungen teilgenommen, und er ist Mitwisser. Weder seine Funktion als Papst Benedictus noch die Beichte oder noch so grosse religiöse Verzückung entheben ihn der Schuld – einer Schuld, die er eingestanden hat, der er sich grundsätzlich voll bewusst ist, sonst müsste er sie nicht der totalen Geheimhaltung unterwerfen.
 
Aus meiner Sicht hätte er gar nie Papst werden dürfen. Doch zum Ablehnen seiner Wahl besass er offenbar zu wenig Anstand.
Der Vatikan wählte 2005 dennoch den mutmasslichen Straftäter Joseph Ratzinger zum Papst und sorgt bis heute durch mehrheitlich eisernes Schweigen dafür, dass eindeutige Straftaten vor rechtlicher Verfolgung verschont bleiben.
Das ist reine Täter-Protektion.
 
 

Verschlüsselte Sprache als Dialogverweigerung

Der Papst mag Theologe, Seelsorger und Intellektueller sein. Dazu trägt er als Oberhaupt der katholischen Kirche die höchste Verantwortung.
 
Es ist falsch, den Opfern, Medien und Bürgern weltweit eine Fixierung auf den Papst als Schuldigen vorzuwerfen. Die Bildersprache des Papstes mit neuen Kleidern, Gewandwechsel etc. erscheint nach den himmeltraurigen Vorkommnissen als gekünsteltes sich Winden und Verstecken hinter veralteten Schnörkeln.
 
Selbst wenn Papst Benedictus sich Gott etwas näher fühlt und dabei meint, er müsse, wie es die unzähligen Autoren der Bibel taten, in Rätseln und Gleichnissen sprechen, sollte er bedenken, dass die Misshandlungen, die die katholischen Kirchenmänner und –frauen den Kindern antaten, höchst real waren.
 
Nun, der Papst will auch durch Schweigen offenbar das Unrecht stabilisieren.
Einige der misshandelten Kinder hat die Kirche immerhin Gott sehr nahe gebracht: Jene, die sie durch Misshandlungen in den Tod trieb.
 
«Näher, mein Gott, zu Dir»
Vom Seelsorger zum Seelenentsorger.
Das stimmt extrem nachdenklich.
Der Weltjugendtag 2005 in Köln war ein Event.
Was wird 2011 in Madrid sein?
 

Karl Weiss:  Noch ein Tabuthema: Vatikan und Mafia

Buch: Vatikan AG
Vatikan AG:
Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über die Finanz- und Politskandale der Kirche
Autor: Gianluigi Nuzzi
Ausgabe: Gebunden

 
amazon.de
BUCHHAUS.CH
 
BUCHHAUS.CH schreibt:

Die unerhörte Geschichte, die hier erzählt wird, stützt sich auf ein umfangreiches Geheimarchiv, das in der Schweiz lagerte und hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
 
Viertausend geheime Dokumente des Heiligen Stuhls Briefe, vertrauliche Mitteilungen, Aktennotizen, Protokolle, Kontoauszüge und Buchungsbelege gewähren einen Blick hinter die Kulissen des vatikanischen Finanzsystems. Die Dokumente stammen aus dem Nachlass Monsignor Renato Dardozzis (1922 – 2003), bis Ende der neunziger Jahre einer der wichtigsten Mitarbeiter des IOR ( Institut für die Werke der Religion ), wie die Vatikanbank offiziell heißt.
 
Ende der achtziger Jahre schien mit dem Crash der Ambrosiano-Bank, der rätselhaften Ermordung Roberto Calvis und Michele Sindonas und dem Rückzug von Erzbischof Marcinkus aus der Leitung des IOR der Schlussstrich unter ein unrühmliches Kapitel der Vatikanbank gezogen. Aber dann so beweisen die Dokumente aus Dardozzis Archiv begann alles wieder von vorn.
 
Seit 1992 entstand ein neues, noch raffinierteres System mit Nummernkonten, über die Hunderte Milliarden Lire verschoben wurden. Architekt dieses Netzwerks war Prälat Donato de Bonis, der neue Chef der Vatikanbank. Er legte Konten auf den Namen von Bankiers, Unternehmern und Spitzenpolitikern an, unter ihnen Omissis , der Codename Giulio Andreottis.
 
Auf diese Konten wurden Erlöse aus Staatspapieren eingezahlt, um schmutziges Geld zu waschen. Auch in den Mega-Korruptionsskandal Enimont war die Vatikanbank verwickelt. Sogar Gelder gläubiger Katholiken, die für heilige Messen bestimmt waren, wurden mit geschickten Manövern auf persönliche Konten transferiert.
 
Das IOR funktionierte wie eine Bank innerhalb der Bank, eine gigantische Geldwaschanlage mitten in Rom, die von der Mafia genutzt und skrupellos für politische Machenschaften eingesetzt wurde. Ein Steuerparadies, das allein der Gesetzgebung des Vatikans unterworfen war.
Und das alles im Namen Gottes.
 
Gianluigi Nuzzi arbeitet als investigativer Journalist bei der italienischen Zeitschrift «Panorama», zuvor war er für die Tageszeitungen «Corriere della Sera» und «Il Giornale» tätig. Seit 1994 verfolgt er die Polit- und Finanzskandale Italiens. Im Frühjahr 2008 erhielt er Zugang zum Geheimarchiv Monsignor Dardozzis.

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