Sonntag, 12. September 2010

Jörg Kachelmann: Dream-Team wahrer deutscher Schreibe

Der Befangenheitsantrag der Kachelmann-Verteidiger ist abgelehnt worden. Einige nennen dies eine Schlappe, andere begnügen sich mit Scheitern, ich meine, dies ist eine Station innerhalb eines Gerichtsverfahrens, das noch gar nicht richtig begonnen hat.

Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen zitiert aus der Antwort des Gerichts im Spiegel vom 10.09.2010: «Kachelmann-Verteidiger scheitern mit Befangenheitsanträgen»

«Der vernünftige Angeklagte muss nämlich davon ausgehen», begründen die Richter, die mit dem Antrag befasst waren, ihre Entscheidung, «dass der Richter aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung grundsätzlich die Fähigkeit hat, sich von Befangenheit und dem in jedem öffentlichkeitswirksamen Verfahren entstehenden Druck frei zu halten, und zwar auch dann, wenn Berührungspunkte mit einem Verfahrensbeteiligten bestehen, die aus den Zufälligkeiten des menschlichen Zusammenlebens, nicht aber aus einem besonderen Näheverhältnis resultieren.»


 

Aus Pietätsgründen

Damit auch wirklich alles gelingt, und zum Eindämmen richterlicher Einsamkeit, erhält Michael Seidling exklusiv einen quasi globalen Sachverständigen zu Seite.
Viel Glück, wenig Kaffeesatz und nuda veritas !
Michael Seidling, Sigmund Freud und ihr Problem

Zwei Sachverständige vor einem schier unlösbaren Problem:
Richter Michael Seidling und Sigmund Freud

Richter Seidling verlangt vom Angeklagten vernünftig zu sein, und verschweigt dabei, wovon denn ein unvernünftiger auszugehen hätte, als ob Angeklagte per se vernünftig wären. Er zählt sich eigenen Rechts mit all seiner Ausbildung und Berufserfahrung auch zu den Vernünftigen, grenzt sich vom Öffentlichwirksamen und allen Näheverhältnissen ab, um am Ende des Verfahrens im Namen des Volkes ein vernünftiges Urteil zu fällen.
 
Da kann ihm bloss noch Bild-Reporterin Alice Schwarzer dazwischen kommen, die in der Kleinen Zeitung vom 11.09.2010 unter dem Titel: «Kachelmann-Klage ist ernstzunehmen» meint:

«Führend sind bei dieser Diffamationskampagne des mutmaßlichen Opfers zwei Journalistinnen von "Zeit" und "Spiegel", also meinungsbildenden, ernstzunehmenden Blättern. Das hat die öffentliche Meinung stark beeinflusst - und droht, auch das Gericht zu beeinflussen. Darum habe ich mich entschlossen, über den Fall Kachelmann nicht nur in EMMA, sondern auch in Bild zu berichten. »

Das ist eine reife Leistung: Madame Alice kontrolliert also das Gericht, und es ist für Richter Seidling wünschenswert, sie löse ihn nicht bei erster Gelegenheit ab.
Dass die Zeit und der Spiegel unheilbringende Klatschblätter erster Güteklasse sind, weiss inzwischen jedermann – Entschuldigung – jedefrau.
 

Divertissement mit Franz Josef Wagner

Dieser Wagner wartet schon gar nicht das Urteil ab, um gleich mit Brachialgewalt einzufahren und fragt so halb der Meinung dienend am 06.09.2010, ob man Kachelmann zur Strafe kastrieren sollte:

«Kachelmann ist für mich ein Liebe-Lügner. Ich weiß nicht, welche Strafe es für so einen Mann gibt. Die Kastration?»

Obiges Opus stammt aus der Bild-Abteilung «Post von Wagner».
Da sich das Werk ausdrücklich an Jörg Kachelmann richtet, ist Alice Schwarzers Begriff der «Diffamierung» selbstverständlich ausser Kraft gesetzt.
 
Die Krux ist, dass ich diesen Franz Josef manchmal mit einem Schmunzeln las, mich nun hingegen allen Ernstes frage, ob der Herr aus grosser Aufregung über den aktuellen Medienprozess gerne selber zum Messerchen griffe, um dem angeblichen Treiben des «Liebe-Lügners» (welch ein Wort!) ein Ende zu setzen.
 
Nun, manche können es nicht erwarten, Blut fliessen zu sehen. Vielleicht täte diesem tumben Toren Wagner der Besuch in einem Schlachthof gut oder möchte er gerne beim Schächten zusehen, um sein krankes und erhitztes Gemüt abzukühlen und zu jener Befriedigung zu gelangen, zu der er seine Leser auch gerne antreiben möchte.
 

Divertissement mit Alice Schwarzer

Nachdem Assistentin Paris aus Angst vor Schwarzer in die USA entfleuchte, berichtet Frau Schwarzer nun also in einer Doppelrolle als Bloggerin und Bild-Reporterin über den Fall Kachelmann.
 
Als Bloggerin schreibt sie am 07.09.2010 in «Der Fall Kachelmann, Nr. 6»:

«Die erste Sitzung wurde bereits nach wenigen Minuten beendet. Aber sie war dennoch aufschlussreich. Denn überraschend nahm auch das mutmaßliche Opfer an der Verhandlung teil. Was übrigens, erstaunlicherweise, nicht alle anwesenden Journalisten mitbekamen. Man nimmt eben oft nur wahr, was man schon weiß.»

Aha, Frau Schwarzer hebt sich eindeutig ab von der übrigen Journalistenmeute, scheint eingeweiht worden zu sein in die letzten Geheimnisse der Kachelmann'schen Gegenpartei - als AdeptIn ersten Ranges in der zweiten Reihe auf Platz Nummer 26.
 
Dies ist scheint der erste Schritt einer objektiven Berichterstattung zu sein, und die Medienkonsumenten werden sich an den tröpfchenweise gelüfteten Neuigkeiten erlaben und gespannt der Antworten harren:
 
«Gab's wirklich nur ein Tampon?»
«Waren es gar Tampon-Zwillinge?»
 
 
Als Bild-Reporterin geht es mit ihr auch munter zu:
Am 05.09.2010 schreibt sie unter dem Titel «Warum ich für BILD vom Kachelmann-Prozess berichte»

«So ein Klima kann nur entstehen, wenn ein Mensch öffentlich degradiert und für vogelfrei erklärt wird.»

Und wen meint sie mit «ein Mensch»?
Das mutmassliche Opfer natürlich! Claudia Simone Dinkel.
 
Nein, Kachelmann nicht, dessen Ansehen ist längst zerstört, dessen Attribute, Prädikate und Organe dürfen beliebig gehandelt werden. Das nennt man objektive Berichterstattung, und in Zusammenarbeit mit Franz Josef Wagner bildet Alice Schwarzer in der Tat ein Dream-Team wahrer deutscher Schreibe.
 

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