Samstag, 7. November 2009

Schweizer Behinderte: Ein Amt spielt Oberlehrer

Die Schweizer Invalidenversicherung hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit übermächtigem pädagogischem Finger durchs Land zu brausen, um die offenbar leicht zurückgebliebene Bevölkerung über Behinderte aufzuklären. Wie es zu diesem «Herbst der Plakate» passt, wirbelt sie dabei viel Staub auf und erreicht nichts als tiefe Verletzungen und bombastischen Ärger.

Unverhofft befanden sich in den letzten Tagen Plakate mit den folgenden Inhalten «anonym» auf öffentlichem Boden:
BEHINDERTE
LIEGEN UNS
NUR AUF
DER TASCHE
  BEHINDERTE
SIND DAUERND
KRANK
 
BEHINDERTE
KOSTEN UNS
NUR GELD
  BEHINDERTE
ARBEITEN
NIE 100 %
Erst als das Malheur sich ereignet hatte, schoben die Initianten ihre pädagogischen Absichten nach und deklarierten ihren Fehltritt als Teaser-Kampagne, mit der man die Bevölkerung bezüglich massiver Vorurteile gegenüber Behinderten hätte aufrütteln wollen.
 
Da stellt sich in der Tat die Frage, wer hier wen aufrütteln sollte.
 
Offensichtlich ist es die Invalidenversicherung, die in erster Linie die Bürger für unmündig blöde zu halten scheint, und findet, das Volk dürfe nun gnädigst auch etwas teilhaben am Stein des Weisen, der eigentlich nur den Verantwortlichen dieser teuren und unnützen Aktion zusteht.
 
Es trifft auch für Schweizer Beamte zu: Bildung muss erworben sein, sonst bleibt sie im Bereich des Scheins, selbst wenn man bei Gelegenheit darauf fokussiert, Invalide zu Scheininvaliden zu degradieren, grosse Beträge zum Jagen mutmasslicher Betrüger zu investieren, und Kampagnen zu starten, von deren Wirkung auf die Öffentlichkeit man offenbar keine Ahnung besitzt.
 
Erschreckt durch die ablehnende Haltung der breiten Öffentlichkeit, schoben die Verantwortlichen nun das, was sie als die Lösung ihres geschaffenen Problems erachten, rasch nach - samt einigen Schönwetter- und Entschuldigungssätzen.
 
Entzückt dürfen wir jedoch verwirrt bleiben:
  • Was meinen die Urheber mit ihren 100 %?
  • Wie kommen sie auf die 120 %?
  • Wie viele Prozente arbeitet jemand in einer 75 %- oder einer 50 %-Arbeitsstelle?
  • Ist eventuell die Arbeitsleistung gemeint?
  • Welche Arbeitsleistung erbringt jemand an einer 60 %-Arbeitsstelle mit 119 % Arbeitseinsatz?
BEHINDERTE
LIEGEN UNS NUR AUF DER TASCHE
wenn wir ihre Fähigkeiten nicht nutzen
Vorurteile behindern  IV Invalidenversicherung 
www.behindertemitarbeiter.ch
BEHINDERTE
SIND DAUERND KRANK
und trotzdem morgens die Ersten im Büro
Vorurteile behindern  IV Invalidenversicherung 
www.behindertemitarbeiter.ch
BEHINDERTE
KOSTEN UNS NUR GELD
bis sie mal zeigen können, was sie wirklich drauf haben
Vorurteile behindern  IV Invalidenversicherung 
www.behindertemitarbeiter.ch
BEHINDERTE
ARBEITEN NIE 100 %
denn sie kennen nur 120 %igen Einsatz
Vorurteile behindern  IV Invalidenversicherung 
www.behindertemitarbeiter.ch

 
Leicht sollten die Verantwortlichen diesmal nicht wegkommen. Ihre Pflicht ist es, offen darzulegen, welchen Betrag an Volksguthaben sie in diese üble Verleumdungskampagne gesteckt haben. Dass über dieses Volksguthaben sämtliche Steuerzahler indirekt und unwissentlich zu Mitschuldigen gemacht wurden, ist als hinterhältig, arglistig und besonders heimtückisch absolut zu verwerfen.
 
Dazu sollen sie geradestehen für die Verletzungen und Schmerzen, die sie den Behinderten zufügten. Die Themen sind nachzulesen im Schweizer Strafgesetzbuch beispielsweise in den Artikeln:
  • 173 – Üble Nachrede
  • 174 – Verleumdung
  • 177 – Beschimpfung
Bedenkt man, dass die Invalidenversicherung auf einer der grössten Datenbanken mit hochsensiblen Daten sitzt und stets bestrebt ist, noch grösseren Zugriff auf noch mehr solche Daten zu besitzen, erfasst einen das nackte Grauen: Offensichtlich inkompetente und weltfremde «Oberlehrer-Typen» mit einem Hang zur Ehrverletzung wursteln sich durch die Daten von Persönlichkeiten, um nach Gelegenheit und Lust und Laune deren Schicksal mitbestimmen zu können.
 
Vielleicht sollte man es den üblen Plakat-Aktionisten in den Kopf hämmern:
Die Würde des Menschen ist unantastbar.

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