Mittwoch, 16. Februar 2011

zu Guttenbergs Dissertation: «rite» oder «non rite»?

Als letztes Jahr die Welle des Rufs nach dem Adel durch den deutschen Sprachraum geisterte, fragte ich mich, was ein solches Phänomen in der vernetzten und sich ausgleichenden Gesellschaft zu tun habe. Die Aufmerksamkeit wurde vor allem auf Werte gerichtet, die dieser schmalen und meist wohlhabenden Bevölkerungsschicht zugeordnet werden.

Propagierte «Werte des Adels»
Anstand Erziehung Rückgrat
Aufrichtigkeit Geradlinigkeit Schulbildung
Auftreten (gepflegtes) Glaubwürdigkeit Umgangsformen
Ausstrahlung Manieren Unabhängigkeit (wirtschaftliche)
Authentizität Meinung (eigene) Unerschrockenheit
Charakter Pflichtbewusstsein Weltgewandtheit
Eloquenz Rhetorik Abkupfern ?
Trotz aller Ironie, die ich dem Bundesverteidigungsminister Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg entgegenbrachte, hätte ich nie vermutet, dass dessen beruflicher Werdegang auf derart schwachem Grund basiert. Und gäbe es den Hero des Tages, Professor Andreas Fischer-Lescano nicht, glaubte ich noch immer an die nun jahrelang angepriesene «Qualität Guttenberg».
 
An angebliche Schnoddrigkeit oder verlorene Übersicht, die beim Verfassen einer Dissertation zu «Zitierungsfehlern» führen könnte, glaube ich nicht. zu Guttenberg hätte mit Zugriff auf sein ansehnliches Kapital sich all der möglichen Hilfsmittel aus dem EDV-Bereich zulegen können, um eine korrekte bzw. integre Datenbankverwaltung bezüglich der Zitate zu betreiben. Dabei ist zu beachten, dass «mehr als 1000 Fußnoten» (Süddeutsche vom 16.02.11 «Guttenberg soll bei Doktorarbeit abgeschrieben haben») keine riesigen Anforderungen an eine Datenbank stellen.
 
Für einen Verteidigungsminister, der eine relativ grosse Armee führen und umstrukturieren soll, und der nicht einmal die Vorgaben für ordentliches Zitieren befolgen kann, bin ich nicht bereit, Achtung und/oder Respekt aufzubringen. Mit blossen Blender-Einsätzen und schönen Fotos ist noch keine Politik gemacht.
Mir tun die Soldaten leid, die einem derartigen Minister «folgen» sollen.
Sie haben einen besseren Chef verdient.
 
Aus diesen Gründen verpasse ich dem Bundesverteidigungsminister ein klares «NON  RITE» und möchte am liebsten gleich auch «Tschüss für immer» sagen. Doch das letzte Wort in dieser Sache werden die Experten der Uni Bayreuth haben.
 
Wie die radioschlampe vermerkt:
Der Spiegel bringt eine pfiffige Flash-Show mit Original + Zitat.
 
 

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2 Kommentare:

Der Autor hat gesagt…

Finde irgendwie, die ganze Sache wird viel zu sehr aufgebauscht.
Ich meine, es ist offensichtlich, dass er die Arbeit teilweise abgeschrieben hat. An ein Versehen glaube ich auch nicht. Aber welcher Politiker hat denn keine Leiche im Keller?
Man sollte dem guten Mann jetzt einfach seinen Doktortitel aberkennen und ihn weiter Politik machen lassen.
Wundert mich nur, dass das ganze erst jetzt rauskommt und den Prüfern nicht aufgefallen ist.
Im Internetzeitalter sollte es doch möglich sein, wenigstens die ersten Passagen einer Arbeit zu prüfen.
Aber von gefälschten Doktorarbeiten hört man ja immer wieder.
Man sollte ihn jetzt einfach mit den selben Mitteln wie jeden anderen auch bestrafen und nicht durch das übermäßige mediale Aufbauschen des Themas seine ganze Karriere zerstören. Man braucht schließlich keinen Doktortitel, um Politiker zu sein.

web.quantensprung hat gesagt…

Hallo @Autor!
Danke für Deinen Beitrag!

Dein Schlussargument «Man braucht schließlich keinen Doktortitel, um Politiker zu sein.» ist sicherlich zutreffend. So ein Titel, bei der Union allgemein sehr beliebt, kann einem Politiker durchaus zu mehr Durchschlagskraft verhelfen, ordnet doch ein Grossteil der Bürger einem «Doktor» sehr viel (mehr) Kompetenzen zu.

Bei dieser Zuordnung wird nicht unterschieden zwischen Fach- und Sozialkompetenz, das Volk empfindet einen «Doktor-Politiker» als vollumfänglich geeignet und glaubwürdig und bringt ihm in gutem Glauben sein volles Vertrauen entgegen.

Entpuppt sich ein derartiger Politiker als Charakterlump, der anderen Textteile klaut und diese mit feinen Überleitungen und leichten Abänderungen bewusst ohne Quellenangabe in den eigenen Text einbaut, sehe ich das als sowohl wissenschaftliche als auch politische Katastrophe, hinter der ein ansehnlicher Teil krimineller Energie steckt.

Schau, @Autor, wer im universitären Umfeld einen Teil seines Lebens verbracht hat, weiss genau, was «Ungenauigkeiten à la Guttenberg» bedeuten: Es sind schlichte Fälschungen, sie bedeuten schlichten Diebstahl. Und vor Politikern, die Derartiges veranstalten, gilt es das Volk zu schützen. Und zu genau diesem Zweck erschiene mir ein «Aufbauschen der Sache» nicht einmal als Fehler.

Wie ein Mörder sich nicht herausreden kann mit dem Argument, es würde überall in der Welt viel gemordet, kann man auch zu Guttenberg nicht entschuldigen, mit anderen gefälschten oder gar gekauften Dissertationen.
Jeder ist für seine Diss selber verantwortlich.

Die Zeitlichkeit des Entdeckens der Zitate ohne Urheberangeben bleibt auch mir verborgen. Es kann sich in der Tat um einen Zufall handeln. So habe ich das zumindest bis jetzt verstanden.

Ein lügender bzw. betrügerischer Politiker, der auch über das Leben von Soldaten entscheidet, über Menschen also, die bereit sind, ihr Leben herzugeben, ist unhaltbar.
Es ist mir eine grässliche Vorstellung, Soldaten und/oder Zivilisten würden verletzt oder kämen zu Tode durch das Fehlverhalten eines verlogenen «Doktor-Politikers».