Die meisten der einigermassen Normal-Tickenden fragten sich, wie ein Verteidigungsminister ein Plagiat als «unbewusste Täuschung» darstellen konnte. Ein Google-Search in einer ganz anderen Sache mit gehirn wahrnehmung erinnerung brachte an oberster Stelle die pdf-Datei Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen, in der ab Seite 8 der Begriff der «Spurenamnesie» beschrieben wird.
Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen
Über Nutzen und Vorteil der Hirnforschung für die Geschichtswissenschaft: Eröffnungsvortrag des 43. Deutschen Historikertags am 26.09.2000 in Aachen
Wolf Singer
« … Evolutionsgeschichtlich sind die Strukturen des episodischen Gedächtnisses identisch mit denen, die es Tieren erlauben, sich in ihrem Habitat zurechtzufinden, zu wissen, wo in Bezug auf andere Objekte sich ihr Nest befindet, wo sie Futter versteckt haben und wo sie die Vorratslager bereits geleert haben. Auch für diese Leistungen müssen gespeicherte Informationen, in diesem Fall über die Merkmale von Orten, über deren räumliche Beziehungen und über vergangene Aktionen abgerufen und dann im richtigen Kontext miteinander verbunden werden. Somit findet unser episodisches Gedächtnis eine evolutionäre Deutung: Es war primär ein Gedächtnis für Orte und deren Beziehung zueinander.
[ … ]
Wie sehr die vermeintliche Wirklichkeit erinnerter Sachverhalte tatsächlich auf Rekonstruktionen von Beziehungen zwischen bruchstückhaften und voneinander getrennten Gedächtnisspuren beruht, läßt sich aus häufig vorkommenden Fehlern erschließen. Man erinnert sich an eine Aussage, weiß aber nicht, von wem sie in welchem Kontext geäußert wurde. Gelegentlich erlebt man sogar Einsichten als seine eigenen, obgleich man sie der Aufklärung durch andere verdankt, weil man keinerlei Erinnerung an den verursachenden Lernprozeß mehr hat.
Bei kleinen Kindern ist dies die Regel, da bei ihnen die Hirnstrukturen für die Verwaltung des episodischen Gedächtnisses noch nicht voll entwickelt sind. Passiert so etwas bei Erwachsenen, nennt man es "trace amnesia", "Spurenamnesie". Gewisse Inhalte werden gewußt, also erinnert, aber die Erinnerung an die Umstände des Wissenserwerbs fehlt. – Eine vermutlich häufige Ursache für das, was dann als Plagiat angeprangert wird.
Solche Dissoziationen können nun zwischen allen Teilerinnerungen auftreten, die erst in ihrer Zusammenschau eine zutreffende Rekonstruktion des Gewesenen erlauben. Man erinnert sich an einen Ort, weiß aber nicht mehr, mit wem man dort war, erinnert ein Gespräch, aber nicht seinen Inhalt usw., usw.
Dies muß jedoch nicht bedeuten, daß die einzelnen Komponenten tatsächlich vergessen sind. … »
Nachtrag 01.03.2011 – 22:30 – Video ausgewechselt wg. Löschung
Nach wie vor dürfen wir davon ausgehen, zu Guttenberg sei kein Vogel, sollten jedoch hinterfragen, ob er nicht einen habe.
Selbst wenn seine Verteidiger mit den Begriffen Vielbeschäftigung und Überlastung operierten, ist seine Tat unentschuldbar.
Als Verteidigungsminister würde er mit einer «Spurenamnesie» zum Gefahrenpotenzial ohnegleichen.
Und was könnte geschehen, läse er in
– wo war denn das auch gleich? –
den Satz: «L’État, c’est moi» ?
Links auf dieser Website
- Causa zu Guttenberg: Immunität aufheben [24.02.11]
- Causa zu Guttenberg: Alea iacta est - Ein glückliches Ereignis [23.02.11]
- zu Guttenbergs Dissertation: Es gibt auch eine plagiatfreie Seite [20.02.11]
- zu Guttenbergs Dissertation: «rite» oder «non rite»? [16.02.11]
- Gorch Fock: Gebirgsjäger jagt Kapitän samt Mannschaft [28.01.11]
- zu Guttenberg in Afghanistan: Um vor Weihnachten danke zu sagen. [15.12.11]
- Deutschlands Politiker: Man macht jetzt in Adel ! [31.10.11]
Links
- (*) Max-Planck-Institut für Hirmforschung [26.09.2000] *.pdf
Wahrnehmen, Erinnern, Vergessen - Google bücher [September 2000] – Von Max Kerner – S. 24
Eine Welt, eine Geschichte? - Spiegel «Zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht» [18.02.11]
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