Donnerstag, 3. Dezember 2009

Minarette: Bleiben Sie beim Käse und ...

Die Debatte in «Hart aber Fair» mit dem Titel «Schock-Entscheidung zum Minarettverbot -wie tief sitzt die Angst vor dem Islam?» [ARD vom 02.12.2009] war enttäuschend. Die Frage nach der Angst der Bürger vor dem Islam wurde kaum beachtet.

Zum Titel:
Er kommt aus der Stimme eines Mannes von der Strasse, der den Schweizer Entscheid zum Verbot des Minarettbaus kommentierte:
«Liebe Schweizer, bleiben Sie beim Käse und lassen Sie die Minarette in Ruhe.»

Selbst die wenigen Einspielungen von Bürgern versetzten diese eher in die Rolle von Statisten, denen man sich alibimässig noch rasch etwas widmen musste. Dazu wurden alte Themen und Vorurteile aufgetischt. Selbst die kleine Flaxerei zwischen Michel Friedman und Frank Plasberg frischte den eingeschlagenen Pfad der Ereignislosigkeit nicht auf.
 

Ghettoisierung im Industriegebiet statt Integration

Als wichtig erscheint mir die während der Integrationsdebatte dargestellte Tatsache, dass Muslime, die ihre Moschee als Gebetsraum in unschöne und verschmutzte Industriegebiete auslagern müssen, für wenig Transparenz sorgen können und so auch noch in die Ecke des Obskuren gedrängt werden.
 
So können sich Menschen, die teilweise aus weiter Ferne zu uns in eine ihnen fremde Kultur kommen, niemals wohlfühlen und werden sich stets als ausgegrenzt empfinden.
 
Hier ist anzusetzen als einer der Schritte zur Integration: Im Städtebau. Erhält ein Sakralbau seinen ordentlichen Platz in der Gesellschaft, fühlt sich der Muslim willkommen geheissen und entsprechend geehrt.
 
Ähnliches schieb ich hier am 15.11.2009:

«Eine für die Muslime akzeptierbare Sakralarchitektur kann durchaus unter den Koran-Gläubigen in der christlichen Kultur für Entspannung sorgen und damit einen offeneren Blick des Islam in die Welt bewirken.
 
Ein Minarett in der europäischen Diaspora erfüllt seine Funktion nicht mehr voll, kann aber zumindest als Symbol an einem Gebetshaus oder einer Moschee für Muslime Halt und mentales Zuhause bieten.»

Vergangene schwerwiegende Biografien der Muslime

Vollkommen vermisst habe ich in der Debatte die Frage nach den Befindlichkeiten der Muslime, wenn sie in unsere Länder kommen. Aus welchen Situationen kommen sie? Aus Kriegsgebieten? Aus Hunger, Vergewaltigung, Folter, Unterdrückung, Lebensgefahr, etc.? Welche Gräuel haben diese Menschen eventuell schon durchgestanden?
 
Keiner der Debattierenden stellte die Frage, ob die Muslime nicht Angst vor uns haben könnten, ob eine gewisse Form der Ghettoisierung sie in ihrem Selbstverständnis weiter lähmen könnte.

Gäste von Frank Plasberg

«Fragmente» sind hier sinngemässe Zitate.

Aiman Mazyek Aiman Mazyek
Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland
 
Fragmente:
  • Eine Religionsgemeinschaft ist selbstbestimmend.
  • Petrodollars sind in Schweiz beliebt, Muslime hingegen nicht.
  • Empfehlung: Schweizer sollen zurück zu Toleranz und Freiheit.
  • Rechtspopulisten liessen Volk auf Leim gehen.
  • Die Schweizer sollen nochmals abstimmen.
  • Es ist unser existentielles Interesse, Probleme zu lösen und uns mutig der Intoleranz stellen.
  • Bei uns läuft falsch: wir sind zu wenig optimistisch und offensiv.
  • Muslime verspüren Diskriminierung, haben Angst und ziehen sich ins Ghetto zurück.
  • Der Islam ist anpassungsfähig. Das sahen wir, als wir während des Ramadan in deutschen Fussball-Ligen organisierten.
  • Vieles wird islamisch ausgelegt, was gar nicht islamisch ist.
  • Verbote von Klassenfahrten haben nichts mit dem Islam zu tun.
  • Eltern, die Kindern gewisse Dinge verbieten, sind in winziger Minderheit. Sie werden hingegen immer als Negativ-Beispiele angeführt. Das ist Desinformation.
  • Wir sind Muslime in Deutschland. Wir sind nicht verantwortlich, was andere muslimische Länder tun. Meine Mittel, in anderen Ländern einzuschreiten, sind minimal gering.
  • Es wird nicht über Lösungsvorschläge zur Integration gesprochen.
  • Zwangsheirat und Genitalverstümmelung haben mit Islam nichts zu tun.
 
Michel Friedman Michel Friedman
Journalist und Moderator
 
Fragmente:
  • In Deutschland sind andere Religionen toleriert, anders als in totalitären islamischen Ländern.
  • Eine Tschador-Trägerin erinnert assoziativ an Terrorismus.
  • Es wurde über mehr abgestimmt, als nur über das Minarett.
  • Die Schweiz hat Brücken niedergerissen, das ist falsch.
  • Wir brauchen Integration. 15% der deutschen Bevölkerung reden rassistisch und antisemitisch.
 
Bärbel Höhn Bärbel Höhn
Stellvertretende Fraktionschefin der Grünen
 
Fragmente:
  • Menschen, die mit Muslimen Kontakt pflegen, haben das Verbot abgelehnt.
  • Wer die Wirklichkeit kannte, stimmte anders ab, als weltfremde Bürger.
  • Man sollte allgemeine Hassaussagen vermeiden und die guten Erfahrungen als Vorlage nehmen.
  • Ein Minarett-Verbot verkehrt auf einem Niveau, das nie zu Integration führt.
 
Wolfgang Bosbach Wolfgang Bosbach
Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages (CDU)
 
Fragmente:
  • Wir haben viele Menschen aus anderen Kulturkreisen. Die müssen sich anpassen.
  • Minarette sind Symbole.
  • Christen sollen in islamischen Ländern auch tolerant behandelt werden.
  • Alle verschiedenen Religionen und Kulturen in einem Land müssen sich anpassen.
  • Sakralbauten sollen sich ins übrige Stadtbild einfügen.
  • Wir müssen Integrationsleistungen von Einwanderern erwarten dürfen.
 
Roger Köppel Roger Köppel
Der Chefredakteur der Schweizer «Weltwoche» hat für das Minarettverbot gestimmt.
 
Fragmente:
  • Es gibt kein Recht auf ein Minarett.
  • Die Volksabstimmung ist uraltes Recht.
  • Den Entscheid zu revidieren wäre ein politisches Problem.
  • Das Minarett wird in Schweiz als Ausdruck des politischen Islam gesehen.
  • Zwangsheirat, Genitalbeschneidung etc, das macht den Leuten Angst.

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